Wer sind Sie und was ist Ihr Forschungsgebiet – kurz: Was machen Sie?
Ich bin Sébastien Soubiran – Wissenschaftshistoriker und ausgebildeter Physiker – und beschäftige mich mit der Verbindung zwischen Universitäten und ihrem Erbe. Ich bin auch Leiter der Abteilung Jardin des sciences. Sie ist verantwortlich für die Wissenschaftskommunikation der Universität Straßburg.
Wir betreiben ein Planetarium und organisieren Bildungsaktivitäten für Schulen und Familien, um sie mit Wissenschaft und wissenschaftlicher Praxis vertraut zu machen. Der Jardin des sciences ist außerdem ein physischer Bereich auf dem historischen Universitätsgelände, in dem die Museen und das Planetarium untergebracht sind. Dieser Kulturbezirk soll den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern. Hier dreht sich alles um Wissenschaftskommunikation.
Worin unterscheiden sich akademische Sammlungen von traditionellen Museen?
Die wesentliche Besonderheit akademischer Sammlungen und Universitätsmuseen ist ihre enge Bindung an Wissensproduktion und Lehre. Ursprünglich wurden diese Sammlungen an den Universitäten als wissenschaftliche Werkzeuge für die Forschung oder als pädagogische Instrumente für die Lehre aufgebaut.
Darin unterscheiden sie sich von anderen Museen. Charakteristisch ist die direkte Anbindung an die wissenschaftliche Praxis und Lehre. Die Sammlungen helfen Historiker:innen bzw. Forscher:innen im Bereich der Wissenschaftsbildung, vergangene wissenschaftliche und pädagogische Praktiken zu verstehen. Und auch heute noch lassen sie sich als Lehrmittel einsetzen und in die Curricula integrieren. Solche Objekte helfen Studierenden, Wissenschaftsgeschichte besser zu verstehen und dadurch ein tieferes Verständnis für wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen.
Warum ist es wichtig, das akademische und wissenschaftliche Erbe zu bewahren?
Zunächst einmal, weil es Teil unseres kulturellen Erbes ist. Das wissenschaftliche Erbe ist ein wesentlicher Aspekt der Kultur – wie jedes Objekt, das mit unserer Geschichte verbunden ist, ist es wichtig, es zu erhalten.
Die Universitäten spielen hier eine Schlüsselrolle. Das wissenschaftliche Erbe ist wertvoll, weil es uns hilft zu verstehen, was für künftige Generationen bewahrt werden sollte. Viele Universitätssammlungen sind immer noch von wissenschaftlichem Wert – sie können weiterhin Informationen für die Forschung liefern. Einige Artefakte können sogar für ihre ursprünglichen Zwecke wiederverwendet werden: So können beispielsweise naturhistorische Präparate verwendet werden, um die Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen oder um Veränderungen in Ökosystemen zu dokumentieren.
Wissenschaftler:innen können die Objekte also aus einer neuen Perspektive betrachten – und das gilt für viele Forschungsbereiche. Sammlungen sind wie Archive: Sie mögen statisch erscheinen, aber sie haben einen zeitlichen Wert, und man weiß nie, welche Art von Wissen sie Jahre später noch liefern könnten.
Gilt das auch für traditionelle Museen?
Bis zu einem gewissen Grad, ja. Alle Sammlungen enthalten eine Art von Wissen. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die wissenschaftlichen Objekte in den Universitätssammlungen zu Forschungszwecken zusammengetragen wurden – nicht zur Ausstellung. Sie waren dazu bestimmt, wissenschaftlich genutzt zu werden, und das macht sie so einzigartig.
Was macht Ihnen persönlich am meisten Spaß an der Arbeit mit akademischem Erbe? Oder anders gefragt: Was lieben Sie an Ihrem Beruf?
Ich bin Wissenschaftshistoriker und finde es immer spannend, mit Objekten zu arbeiten, die neue Informationen liefern können. Es ist schwer zu erklären, aber ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine neue Sammlung entdecke, auch wenn sie anderen, die ich schon gesehen habe, ähnelt.
Ich habe das Glück, in einem Bereich zu arbeiten, der mich wirklich begeistert. Es ist der perfekte Job für mich – mit akademischen Sammlungen zu arbeiten und Teil einer Abteilung zu sein, die sich auf Wissenschaftskommunikation konzentriert. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Sammlungen eine wichtige Rolle bei der Öffnung der Universitäten gegenüber der Gesellschaft spielen.
Wir müssen wissenschaftliches Wissen zu einem Gemeingut machen – wie Wasser. Nicht nur zugänglich, sondern zu etwas, von dem die Menschen das Gefühl haben, dass sie daran teilhaben können. Das bedeutet, den Zugang zu gewährleisten und sicherzustellen, dass jede:r versteht, was in der Wissenschaft geschieht. Wir müssen die Gesellschaft in den Prozess der Wissensproduktion einbeziehen.
Dabei geht es nicht nur um Partizipation, sondern auch darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie Wissen entsteht und welche Entscheidungen getroffen werden (z. B. wenn neue Technologien wie KI aufkommen). Diese Entscheidungen beeinflussen das Leben der Menschen – so wie das Smartphone die Art und Weise revolutioniert hat, wie wir interagieren und auf Informationen zugreifen.
Jetzt stehen wir vor ähnlichen Umwälzungen. In einer Zeit, in der der Populismus zunimmt, ist kritisches Denken wichtiger denn je. Ich glaube, dass das akademische Erbe und die Universitätsmuseen eine Brücke zwischen Universität und Gesellschaft bilden können.
Universitäten sind Teil der Gesellschaft – sie sind nicht bloß elitäre Institutionen. Wir müssen diese Verbindung sicht- und erlebbar machen.
Warum ist die Universeum-Konferenz in diesem Zusammenhang von Bedeutung?
Weil wir eine Gemeinschaft sind – und geeint sind wir stärker und sichtbarer. Es ist auch unglaublich wertvoll, drei Tage zusammen zu verbringen, zu reden, sich auszutauschen, zu reflektieren: Was tun wir? Warum tun wir das?
In diesem Jahr führen wir wieder wichtige Gespräche – zum Beispiel über „Dekolonisierung“. Über unsere Rolle als Forscher:innen und Kurator:innen in diesem Prozess. Was bedeutet das? Wie können wir mit Gemeinschaften interagieren, die an den Rand gedrängt wurden oder die indigene Wissenssysteme vertreten?
Was hat Ihnen an der diesjährigen Universeum-Konferenz in Graz am besten gefallen?
Nun … Ich freue mich immer sehr, Kolleg:innen aus ganz Europa zu treffen – das ist einer der besten Aspekte. Diesmal freue ich mich besonders, dass so viele Nachwuchskräfte hier sind. Sie haben die Möglichkeit, ihre Arbeit zu präsentieren, und es freut mich zu sehen, dass eine neue Generation nachrückt.
Weitere Informationen finden Sie unter folgenden Links: